Die ganze Schweiz@Internet

Dank guter Infrastruktur und überschaubarer Grösse könnte sich die Schweiz als Musterland in Sachen Internet profilieren. Noch ist Zeit, die Initiative zu ergreifen.

Von Roger Bataillard / TA Media AG

Diskussionen zum Thema Internet strotzen meistens von Vorurteilen. Es wimmle von Betrügern und Hackern, und überhaupt sei das viel zitierte Internet viel zu kompliziert, zu langsam und zu teuer. Tatsächlich schrecken viele Zeitgenossen davor zurück, sich mit dem «Medium der Zukunft» auseinander zu setzen oder es gar zu nutzen, weil sie befürchten, die Sache nicht zu verstehen oder sich im Informationsdschungel nicht zurechtzufinden.
Wer dem Internet also Vorschub leisten will, muss in erster Linie Vorurteile abbauen. Um das «Netz der Netze» allerdings zu einem umfassenden, zentralen und für alle zugänglichen Medium zu machen - also in der Schweiz weit mehr Menschen zu erreichen als die zurzeit rund zehn Prozent im Internet aktive Bevölkerung -, müssen attraktive Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dabei hat die Schweiz eine besonders gute Ausgangslage. Der Schweizer Markt ist überschaubar, und das Land verfügt über eine gut ausgebaute, moderne Telekommunikations-Infrastruktur und gilt generell als technologiefreundlich.
Es verwundert daher nicht, dass, dem weltweiten Trend folgend, auch hier zu Lande Unternehmen, die direkt oder indirekt vom Internet leben, wie Pilze aus dem Boden geschossen und mittlerweile zu einem wichtigen Wirtschaftszweig geworden sind. Die Basis ist also vorhanden. Ohne weitere Anreize werden aber sowohl die Anwender- als auch die Anbieterzahlen in Zukunft nur noch langsam wachsen.

Wirtschaftsgefördertes Internet
Es müssen Anstrengungen unternommen werden, die den Standort Schweiz als Internetland attraktiv machen. Eine Initiative von Bund und Kantonen, welche der Software-Entwicklung im Allgemeinen und der Kreation und Einführung von attraktiven Internetanwendungen im Speziellen Stolpersteine aus dem Weg räumt, wäre verhältnismässig einfach zu realisieren und würde Zeichen setzen.

Wie seinerzeit die Franzosen
Frankreich hat Ende der Siebzigerjahre vorgemacht, wie ein neues Medium eingeführt werden kann. Das auf dem Videotex-System basierende Minitel kam als elektronischer Ersatz für die gedruckten Telefonbücher in Privathaushalte und Firmen. Die rund 25 000 Angebote reichen von E-Mail über Shopping-Angebote bis zur Zugreservation, und auch das Telefonbuch ist nach wie vor abrufbar.

Die Situation in der Schweiz ist völlig anders als seinerzeit in Frankreich. Das Minitel hatte eine Monopolstellung, das Internet ist - zum Glück - dem Wettbewerb unterworfen.
Während die Bereinigung im Provider-Markt weitergehen wird und die Preise für die Nutzung niemanden mehr ernsthaft vom Internet abschrecken, müssen aber auch auf der technischen Ebene weitere Vereinfachungen vorgenommen werden. Die im Hintergrund werkelnde Technik muss den Benutzer optimal unterstützen. Wichtig ist es, die Energie auf Inhalte und Angebote zu konzentrieren, die unkompliziert bedienbar und für alle, egal aus welcher Bevölkerungsschicht, von Nutzen sind. Denn die beste Anwendung nützt nichts, wenn sie kompliziert ist und die Beschaffung der Informationen länger dauert als auf dem konventionellen Weg. Hier sind auch die Software-Hersteller gefordert. Sie sind aufgerufen, den Bedienungskomfort auf ein Niveau zu bringen, das es allen ermöglicht, die neuen Kommunikationsmöglichkeiten jederzeit zu nutzen.

Mehr Sicherheit
Erfreulich auch, dass parallel dazu die Sicherheit von Transaktionen via Internet weiter zunimmt. Diverse Anbieter arbeiten mit Hochdruck an der Realisierung entsprechender Lösungen mittels elektronischer Zertifikate. So sollen beim Bund die Voraussetzungen für einen effizienten Einsatz von Verschlüsselungs- und digitalen Signaturverfahren verbessert werden. Ein wichtiger Schritt, um in Zukunft beispielsweise via Internet abzustimmen und zu wählen oder Formulare direkt an die Verwaltung zu übermitteln.

Elektronische Post für alle
Das Internet besteht aber bekanntlich nicht nur aus dem World Wide Web. Die am häufigsten genutzte Anwendung ist das E-Mail. Hier könnte denn auch der grösste Innovationsschub erfolgen. Dann nämlich, wenn jede und jeder in der Schweiz Lebende, beispielsweise von der Post, automatisch eine E-Mail-Adresse erhalten würde. Selbst wer (noch) keinen PC mit Modem oder Internet-Zugang via TV-Kabel hat, könnte diesen Service nutzen: Er holt sich seine Mails ausgedruckt am Postschalter ab oder erhält sie gegen minimale Gebühren mit der normalen Postlieferung zugestellt. Ein solches Angebot würde nicht nur das Image der Post aufmöbeln, sondern der ganzen Schweiz einen Internetschub verleihen. Ansätze dieser Art braucht es, um das Internet attraktiv und zu einem Medium für alle zu machen. Dass solche Angebote kommen werden, steht fest - es ist nur eine Frage der Zeit.