Ist Schaffen von Arbeit wirklich eine Unternehmensverantwortung?

Was ist der Hauptzweck eines Unternehmens? Geht es darum, möglichst viele Arbeitsplätze zu schaffen? Oder soll ein maximaler Gewinn erwirtschaftet werden? Beides scheint plausibel und greift doch zu kurz. Ohne zufriedene Kunden ist weder das eine noch das andere möglich.

Es ist üblich geworden, zu fordern, dass Unternehmer Arbeit und Arbeitsplätze schaffen sollen. Das klingt plausibel, und man darf sich des Beifalls des Publikums sicher sein. Deshalb wird diese Forderung auch selten hinterfragt. Es gibt aber noch einen weiteren, wichtigen Grund, der hinter solchen Forderungen steht. Es sind ökonomische Theorien, aus denen sie abgeleitet werden, auf die sie sich stützen, mit denen man glaubt sie zu rechtfertigen und unter Umständen sogar zu beweisen können.

Leider muss man aber zur Kenntnis nehmen, dass diese Wirtschaftstheorien teils falsch und teils irrelevant sind. Die Probleme stecken in den Annahmen über die Wirtschaft und das Wirtschaften, mit denen sie beginnen und auf denen sie aufbauen.

Ressourcen in Nutzen umwandeln
Ich möchte es daher wagen, die Forderung an Unternehmer nach der Schaffung von Arbeit und Arbeitsplätzen in Frage zu stellen und einen ganz anderen Vorschlag zu machen: Der Zweck eines Unternehmens besteht nicht darin, Arbeit zu schaffen, sondern darin, zufriedene Kunden zu schaffen. Etwas vollständiger, aber auch etwas abstrakter kann man sagen: Der Zweck eines Unternehmens besteht darin, Ressourcen in Nutzen zu transformieren. Nutzen kann nur ausserhalb eines Unternehmens entstehen, auf dem Markt, beim Kunden. Innerhalb eines Unternehmens entstehen nur Kosten. Die beste Produktentwicklung, das beste Marketing, die beste Informatik produzieren nur Kosten. Nutzen, und damit auch wirtschaftliche Wertschöpfung, kann nur dort entstehen, wo jemand bereit ist, eine Rechnung zu bezahlen für das, was ihm das Unternehmen leistet.

Arbeit und Arbeitsplätze zu schaffen wäre ganz leicht, wenn man nicht gleichzeitig jemanden finden müsste, der bereit ist, die anfallenden Kosten zu bezahlen, weil er darin einen Nutzen für sich erblickt. Ob Arbeit in Zukunft überhaupt noch eine Ressource sein wird, aus der Nutzen entstehen kann, ist inzwischen - leider - fraglich geworden. Tausende von Jahren war Arbeit eine Ressource, aber das allein bedeutet noch nichts für die Zukunft. Zumindest stellt sich die Frage, wessen und welche Arbeit als Ressource zu sehen ist. Jene des manuellen Arbeiters wird es nur noch in geringem Masse sein.
In Wahrheit war es auch eigentlich gar nicht die Arbeit, die den Nutzen geschaffen hat, sondern es war die Leistung, und nicht jede Arbeit ist gleichzeitig auch eine Leistung. Wenn am Morgen Arbeiter Löcher graben und sie am Nachmittag wieder zuschütten, so ist das zweifellos Arbeit, und zwar ziemlich harte. Es ist wahrscheinlich sogar eine menschliche Leistung. Eine wirtschaftliche Leistung ist es aber nicht.

Resultate der Zweckerfüllung
In diesem Zusammenhang nur nebenbei bemerkt: Sehr viele Unternehmer und Manager glauben, der Zweck eines Unternehmens bestehe darin, Gewinn zu machen. Aber auch das ist ein Missverständnis, mit dem sich die Wirtschaft selbst ziemlich grossen Schaden zufügt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in den letzten Jahren dieses Missverständnis im neuen Gewand des Shareholder-Values propagiert wird. Selbstverständlich bin ich nicht gegen Gewinn als solchen. Es kann aber nicht der Zweck eines Unternehmens sein, Gewinn zu erzielen oder diesen sogar zu maximieren. Der Gewinn ist nicht der Zweck des Unternehmens, sondern er ist der Massstab dafür, wie gut das Unternehmen seinen eigentlichen Zweck erfüllt, nämlich Nutzen für Kunden zu schaffen. Gewinn ist das Resultat der Zweckerfüllung, aber er darf nicht zum Zweck gemacht werden, weil dies das gesamte unternehmerische Denken und Wahrnehmen vom wirklich Wichtigen ablenkt.

Innovation schafft Kunden
Zurück zur Arbeitsplatzfrage: Das Unternehmen kann sich niemals aus der und über die Schaffung von Arbeit und Arbeitsplätzen legitimieren. Sonst geht es zugrunde. Legitimieren kann es sich nur aus seiner Leistung für den Markt. Wenn es keine Leistung mehr erbringt, keinen Kunden mehr hat und keinen Nutzen mehr generiert, ist es illegitim, weil es nur noch Ressourcen verschwendet und ökonomischen Schaden anrichtet.

Nun kann die Forderung nach Schaffung von Arbeit und Arbeitsplätzen aber auch anders verstanden werden: Unternehmen sollen sich nicht vorwiegend mit dem Abbau von Arbeitsplätzen befassen, sondern eher mit der Frage, wie vorhandene Ressourcen, und dazu gehört auch die Arbeit, bestmöglich genutzt werden können. Diese Forderung ist viel berechtigter, denn sie richtet den Blick auf die Innovation. Aber auch hier die Frage: Innovation für wen und wozu? Innovation, um Arbeitsplätze zu schaffen, mag ein gesellschaftliches Anliegen sein, es ist aber kein unternehmerisches. Innovation, um Kunden zu schaffen, muss die Forderung lauten - und als Folge davon kann es auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen kommen.

Quelle: Prof. Dr. Fredmund Malik