Neujahrsansprache 2005 von Bundespräsident Samuel Schmid

orsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

Auf Radio DRS, SF DRS, Samstag 1. Januar 2005
Es gilt das gesprochene Wort.


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Liebe Schweizerinnen und Schweizer im Ausland!
Liebe Mitmenschen!

Es guets Nöis!

Im Namen des Bundesrates entbiete ich Ihnen meine Wünsche zu einem Jahreswechsel im Zeichen der Trauer und der Hoffnung – Ich wünsche Ihnen Mut, Zuversicht, Gesundheit, Glück und Gottes Segen.

Meine Gedanken sind bei den Kranken - Ihnen wünsche ich baldige Genesung. Meine Gedanken sind bei jenen, die auf der schattigen Seite unserer Gesellschaft leben. Ihnen wünsche ich ganz besonders viel Kraft und menschliche Zuwendung.

Vergessen wir nie, was in unserer Verfassung steht: Die Stärke des einen misst sich am Umgang mit der Schwäche des anderen!

Dieser Satz hat am Tag nach Weihnachten eine dramatische Aktualität erhalten. Die Flutkatastrophe in Asien, die auch in sehr viele Schweizer Familien Trauer gebracht hat und leider noch bringen wird, übersteigt mit ihren Ausmassen unser Vorstellungsvermögen. Wir sind zu langfristiger Hilfe aufgerufen.

Wie immer in Zeiten der Not zeigt sich unsere Bevölkerung grosszügig und solidarisch - ich danke Ihnen dafür!

Die Urgewalt der Natur erinnert uns Menschen einmal mehr daran, dass wir Teil der irdischen Schöpfung sind. Wir sind ihren Regeln unterworfen. Das Unglück lehrt uns Demut und Bescheidenheit. Es lehrt uns den Wert der Stille in einer Welt, die sich allzu gern dem Lärm und dem Glitzer hingibt. Warum braucht es immer wieder Katastrophen, um uns daran zurückzuerinnern?

Halten wir in diesen Stunden einen Augenblick inne, um in Gedanken bei allen Betroffenen dieses grossen, grossen Unglücks zu sein.

***

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, wir alle sehnen uns nach Sicherheit, nach Geborgenheit, nach Berechenbarkeit. In Tagen wie diesen noch stärker als sonst. Diese Bedürfnisse sind natürlich. Wir brauchen sie für die Bewältigung des Alltags.

Der unaufhaltsame und rasche Wandel verunsichert viele in unserer Gesellschaft. Die steigende Verschuldung nimmt unseren Gemeinwesen die Handlungsfreiheit für neue Aufgaben. Die Sorge um unsere Arbeitsplätze bedrückt uns. Ich verstehe das.

Nur: Verunsicherung und Angst sind schlechte Begleiter. Sie trüben den Blick für das, was wir tun müssen.

Wir müssen an die kommenden Generationen denken und unsere Sozialwerke sichern. Niemand darf Angst haben vor dem Alter. Sichern heisst, auf weiteren Ausbau zu verzichten und mehr zu leisten.

Der Begriff "Leistung" muss wieder positiv tönen. Die Wirtschaft muss stärker wachsen, sonst ist unser Wohlstand nicht gesichert.

Die Jahre des starken Wachstums sind vorbei. Das zwingt uns, wieder bescheidener zu werden. Bescheidenheit verlangt Mässigung. Zeiten der Mässigung verlangen nach Konsens.

Die Bereitschaft, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten, ist kein Mangel an Rückgrat. Sie zeugt von Achtung dem Anderen gegenüber. Sie ist das Gegenteil von Ideologie und Fanatismus. Sie ist ein Zeichen für besonnenes Handeln. Ich hoffe, dass die Politik hierfür die Kraft aufbringt - im Interesse aller.

Wir brauchen die Herausforderungen der kommenden Jahre nicht zu scheuen, im Gegenteil. Jedes von uns erfülle mit Zuversicht und Selbstvertrauen seine Aufgabe und stelle sich neuen Herausforderungen. Wir können mehr, viel mehr, als wir uns zutrauen!

***

Aussenpolitisch haben wir Schweizerinnen und Schweizer einen eigenständigen Weg gewählt. Das bedeutet nicht, dass wir uns isolieren.

Die Schweiz ist ein selbstbewusstes, neutrales Land, das im Rahmen seiner Tradition in internationalen Organisationen mitarbeitet.

Wirtschaftlich sind wir weltweit verflochten. Geografisch, historisch und kulturell sind wir ein europäisches Land. Die Beziehungen zu unseren Nachbarländern und zu den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union regeln wir in bewährter Weise bilateral.

Zu mehreren neuen Verträgen, zu den sogenannten Bilateralen II, nehmen wir in diesem Jahr an der Urne Stellung, wenn das angekündigte Referendum es verlangt.

Nicht alles, was zwischen Bern und Brüssel ausgehandelt worden ist, passt allen. Das ist verständlich. Aber das Gesamtpaket ist ausgewogen und nützt der Schweiz. Es dient unserer Wirtschaft und damit unserem Wohlstand, es dient der Sicherheit, der Umwelt, der Jugend.

Ich erhoffe mir deshalb in den kommenden Monaten eine Diskussion, die echter eidgenössischer Tradition entspricht: engagiert, aber mit Respekt vor dem Andersdenkenden.

Quelle: www.bundespraesident.admin.ch