Visionsprozess

Die Einführung des Innovationsprozesses im produzierenden Unternehmen schafft ein Aufgabengebiet mit einem ganz neuen Anforderungsprofil: Die Stunde des Innovationsmanagers hat geschlagen.

«Unternehmerisches Genie gesucht» - so müsste ein Inserat für die Stelle des Innovationsmanagers lauten, denn die Anforderungen sind so hoch, dass es kaum möglich scheint, ihnen gerecht zu werden. Kompetenz in technischen Fach- und organisatorischen Geschäftsbereichen, Kenntnis von Kundenprozessanforderungen und vorhandenen Technologien, Know-how in Produktstrukturierung, Produktkonzepten und deren Umsetzung und Erfahrung im Einsatz von Methoden reichen nicht aus. Weitere Voraussetzungen sind interdisziplinäres Denken, Kommunikations- und Abstraktionsfähigkeit, Führungsqualitäten, Organisationstalent und - Visionen!

Hohe Kompetenzen gefragt
Die Veränderungen, die den Einsatz eines Innovationsmanagers nötig machen, sind im allgemeinen in einer Neuorganisation oder in der Reorganisation von Unternehmen nach einem Business-Process-Reengineering-Vorgang begründet. Als Folge davon wird heute immer auch ein Innovationsprozess eingeführt. Ein «Prozessbesitzer», dem die Aufgabe des Innovationsmanagers zufällt, steht vor der Problematik, den Innovationsprozess mit Leben zu füllen. Diese Aufgabe verlangt hohe Kompetenz in unterschiedlichsten Fachsektoren und traditionellen Geschäftsbereichen. Einerseits reicht diese Tätigkeit von der Konstruktion über die Elektronikentwicklung bis zur Software-Erstellung und dem Einsatz neuer Technologien, andererseits vom Marketing über den F & E-Bereich, die Produktion und den Einkauf bis zum Service. Der Innovationsmanager muss ein Generalist mit viel Übersicht, Kommunikationskompetenz und analytischem Verstand sein, fähig, Kernkompetenzen zu analysieren und zu lokalisieren.

Visionen müssen erarbeiten werden
Eine Grundproblematik muss dem Innovationsmanager bewusst sein: Visionen kann nur haben, wer sich von herkömmlichen Strukturen löst. In der Industrie bedeutet das, bestehende Produkte aus dem Bewusstsein zu verdrängen, um eine freie Sicht auf die eigentliche Aufgabenstellung zu gewinnen. Die Praxis zeigt, dass Orientierung am Kundenprozess und an der Erwartungshaltung des Kunden an ein Produkt die beste Voraussetzung für die neue Sichtweise bietet. Dazu muss der Innovationsmanager die Anforderungen des Marktes kennen, zukünftige Anforderungen abschätzen und Trends aufmerksam verfolgen. Ist diese visionäre Sicht aufbereitet, liegt es am Innovationsmanager, von dieser Basis aus neue Produktkonzepte und -entwürfe zu planen. Visionen auf die Erfüllung der Kundenprozessanforderungen auszurichten, ist somit der Kernleitsatz jedes Innovationsmanagers und immer wieder von neuem erfolgreich.

Der Teilsystem-Baukasten
Für das neue Produkt jene Technologien einzusetzen, die auch nach dem aktuellen Stand der Technik eine optimale Prozessrealisierung gewährleisten, ist die vordringlichste Aufgabe des Innovationsmanagers. Er muss Verfahren bzw. Prozesse zur Anforderungserfüllung kennen, Verfahrensentwicklungen verfolgen und Technologien bzw. substituierende Verfahren erkennen. Um für komplexe Aufgabenstellungen Lösungsansätze zu finden, die wirtschaftlich und überschaubar realisiert werden können, ist die Produktstrukturierung in einen Teilsystem-Baukasten unabdingbar. Das heisst, je nach Technologieeinsatz wird ein modulares Produktekonzept vorgesehen, das in jedem Teilsystem für zukünftige Innovationen offen ist. Ebenso muss dieses Konzept unterschiedliche Produktausprägungen realisieren lassen, die auf identischen Teilsystemen basieren. So kann auf zu erwartende neue Kundenanforderungen schnell mit neuen Produkten reagiert werden. Zum Aufgabenkatalog des Innovationsmanagers gehört es, mögliche Lösungsansätze zu erkennen, zu beurteilen und Lösungen zu konzipieren. Die Konzepte muss er bezüglich Komplexität, Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Innovationshöhe vergleichen und wiederum beurteilen, um dann die bestmögliche Lösung auszuwählen und die Realisierung in die Wege zu leiten. Dieses ganze Wissen zu managen, also zu verwalten und jederzeit verfügbar zu haben, ist für das Unternehmen von grösster Wichtigkeit. Technologiemanagement gehört denn auch zur Kernkompetenz des Innovationsmanagers.

Erfolgreiche Umsetzung
Identische Modulstrukturen für alle genutzten Technologien (in Mechanik, Elektronik, Mechatronik, Software, Hardware etc.) und aufeinander abgestimmte Schnittstellen erlauben es, den Baukasten zu realisieren, der für eine flexible Kundenausrichtung absolut notwendig ist. So können identische oder nahe verwandte Teilsysteme in unterschiedlichen Produkten eingesetzt werden, ohne immer wieder Anpassungen machen zu müssen. Der so entstandene interdisziplinäre Baukasten sorgt also für flexible Produkte. Die Teilsystemsstrukturierung nach dem kundenprozessorientierten Ansatz erlaubt es somit, durch Einsatz neuer Technologien über längere Zeit ohne Verfahrens- und Prozessänderungen immer wieder innovative Lösungen in Produkten einzusetzen und somit Visionen planbar umzusetzen. Der Innovationsmanager kann mit dieser systematischen Vorgehensweise Systemprodukte mit kurzem Time-to-Market und hoher Servicefreundlichkeit auf den Markt bringen, ohne dabei die rollende Innovation in den Produkten zu vernachlässigen.

Quelle: Bruno Weisshaupt, Geschäftsführer der Technologie Management Gruppe Schweiz - SEMP, Roger Gisi