Der Faktor «Dienen» als Vision

Von Gisi Roger

Die meisten Unternehmen (vor allem in der Schweiz) haben bis Dato die Möglichkeiten gezielter Dienstleistungen weder erkannt, noch sind deren Mitarbeiter mental auf "Dienen" eingestellt. Von firmeneigenen Innovationen gar nicht zu reden.

Kundenzufriedenheit, Umsatz durch Servicequalität, welches Unternehmen und welches Kompetenzzentrum das intelligentere ist: Solche und ähnliche Fragen gilt es in einem modernen Dienstleistungsunternehmen zu beantworten. Und weiter: Ob man als Kunde mit Windows und Office-Anwendungen von Microsoft zufrieden ist; wieso es Microsoft geschafft hat, zum grössten Unternehmen der USA aufzusteigen, aber über 20 Jahre dazu gebraucht hat. Und sagte nicht Bill Gates, dass im digitalen Zeitalter der Schnellere gewinnt? Es kann auch derjenige sein, der schneller bereit ist, Wissen extern zu beschaffen oder gar zuzukaufen. Man könnte also einfach behaupten, dass wir in der Epoche der "sensitiven Wunscherfüllung" leben. Was das heisst, wird einem beispielsweise klar, wenn man am Morgen beim Bäcker, am Kiosk oder im Tankstellenshop einen Halt einlegt, um die Lust nach Essen, Informationen oder Kontakten zu stillen. Entweder hat man dabei ein positives Erlebnis, oder man ärgert sich bereits am frühen Morgen über den Kundenservice.

Beschränkt man sich auf die Informatikbranche und geht man davon aus, dass die "Digitale Revolution" durch Computer und Telekommunikation die Wirtschaft und das gesellschaftliche Zusammenleben rasant verändert - die Marktforschungsergebnisse, Börsenberichte und die Unternehmenswerte der grössten IT-Unternehmen untermauern dies - dann kann die Zukunft der IT-Anbieter nur Individualität, Konzentration, Orientierung nach den effektiven Zielgruppen, Spezialisierung, Innovation, Kooperation, Unternehmertum, Kundennutzen und sensitive Wunscherfüllung heissen. In Bezug auf Dienstleistungen (vor allem im Dienstleistungsmarketing) bedingt dies eine transparente Gestaltung der Dienstleistung, die laufende Verbesserung derselben, die parallele Einführung der Verrechnung sowie Trennung und Aufsplitten der Leistungen und letztlich das Anbieten von Wahlalternativen.

Altes loswerden
Das Problem heisst nicht, neue, innovative Gedanken zu entwickeln, sondern die alten wieder loszuwerden. Im Geschäftsleben sollte es um nichts anderes gehen, als um Dienstleistungen, Wachstum und Innovation. Der Gedanke an die Dienstleistungen wird aber von der obersten Führungsetage nur allzuoft mit dem Vorwand "Wir sind halt mit dem Tagesgeschäft zu stark absorbiert" beiseite gefegt. Eigentlich absurd, denn die Dienstleistung ist genau die Schnittstelle zu neuen Ideen und neuen Kundenlösungen. Die Alltagsarbeit ist sicher wichtig, wenn es sich um Fürsorge, Aufmerksamkeit und die Entwicklung von Potenzialen jeglicher Art handelt. Dass dies aber die Grenze des klassischen Marketings übersteigt, scheint den meisten Verantwortlichen noch nicht klar zu sein. Bereits mit der Forderung, Marketing als Denkhaltung oder gar Lebenseinstellung zu verstehen, haben viele Mühe. Dabei sind vor allem Denkhaltung und mentale Bereitschaft für Dienstleistungen, Merkmale der sozialen Kompetenz, nach denen bereits bei der Personalselektion Ausschau gehalten werden müsste.

Verführung zur Begeisterung
Die IT-Dienstleister tun gut daran, von der Technik- und Produkteorientierung zu Kunden- und Serviceorientierung umzudenken. In der Schweiz muss zusätzlich der Mangel an Bereitschaft fürs Dienen abgebaut werden. Dazu braucht es Einsicht und Wissen, um Dienen richtig zu verstehen und anzuwenden. Leider sind solche Ansätze nicht einmal in den klassischen Dienstleistungsbranchen vorhanden. Hand aufs Herz: Wie viele "Wow-Erlebnisse" hat jeder Einzelne im Kontakt mit Versicherungen oder Banken schon erlebt, oder bei den Handwerksbetrieben, mit denen man zu tun hatten? Studien über Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sind für die Schweiz erst seit kurzem erhältlich. Leider bestätigen diese, was man jeden Tag im direkten Kontakt mit den "Lieferanten" erlebt. Um also diese Haltung zum Dienen und zu Dienstleistungen durchzusetzen, braucht es vor allem Wissens- und Servicemanagement und zwar über alle Unternehmensstrukturen und Bereiche hinaus. Heute, wo Wissen als strategischer Wettbewerbsfaktor anerkannt ist, wird gerade in diesem Bereich erdenklich wenig getan. Zum Teil, weil Politik, Ausbildungsmodelle und Denkhaltung der Öffentlichen Hand mit hineinspielen. Trotzdem gibt es doch einige Gemeinde- und Stadtverwaltungen, die man auch nach "offiziellem Büroschluss" noch aufsuchen kann, um Amtliches zu erledigen. Solche Flexibilität bietet dann bereits eine gewisse Kundenfreundlichkeit - ja eventuell sogar schon Kundenzufriedenheit. Trotz allem reicht heute Kundenzufriedenheit alleine nicht mehr aus. Denn die Kunden sind mündig geworden. Die nächste Stufe, die des "Prosumers" in der "New Economy", hat bereits begonnen. Aktuelle Beispiele sind im Internet, E-Commerce, teils in der Bankenwelt, in der Autoproduktion und neuerdings auch in der Schweizer Uhrenproduktion zu sehen. Der Konsument nimmt direkten Einfluss auf das Produkt und die Leistung und bestimmt so einen Teil seines Konsumerlebnisses mit.

Wissensmanagement für Dienstleistungsmanagement
Will man allen Forderungen gerecht werden, genügen Produkte- und einfache Unternehmenskenntnisse nicht mehr. Der Kunde muss zwingend ins Zentrum gerückt und möglichst umfassend betreut werden - die Werkzeuge sind vorhanden. Die Sicht auf die Gesamtheit und die 5 bis 9 P’s (Place, Price, Promotion, People, Participants, Personal, Performance, Process, Professional) der Marketinglehre schieben sich wieder einmal in den Vordergrund. Die gesamte "Leistungskette" (unabhängig ob Produkt oder Dienstleistung) ist sensibilisiert und auf den Kunden ausgerichtet. Die strategische Fokussierung auf Basis- und Zusatzleistungen ist der erste Schritt. Danach folgen die Differenzierungsleistungen. Das nächste ist das Human Contact Business oder auch Customer Realationship Management wie auch Erlebnis-, Verführungs- oder eben "WOW-Leistungen". Über das gesamte Unternehmen gesehen, ist dies die zentrale Aufgabe des Dienstleistungsmanagements. Dazu kommen Dienstleistungsmarketing mit der darauf abgestimmten Kommunikation. Das Management muss seine Einstellung zur Dienstleistungskultur kommunizieren und fördern, die Wichtigkeit der Kunden in allen Bereichen und Situationen sensibilisieren, den Menschen als wichtigsten Faktor, als Wissensträger und Dienstleistungserbringer anerkennen und verstehen und alle Menschen der Unternehmung in diesen Prozess integrieren. Damit erreicht das gesamte Unternehmen die souveräne und zentrale Befriedigung der Interessengruppen, namentlich der Kunden, Mitarbeiter und Investoren. Gleichzeitig ist dieser Prozess der Schlüssel zum Sieg in allen dynamischen strategischen Interaktionen mit der Konkurrenz.

Return on Investment
Basisbetrachtung eines jenden Return on Investment ist der Unternehmenserfolg. Gemäss fundierten Studien wird dieser durch die Konzentration auf strategische Geschäftsfelder erreicht. Diese wiederum sind durch die Wettbewerbsposition, die Marktgegebenheiten und die Kapital- und Produktionsstruktur beeinflusst. Bei der Untersuchung der Wirkung dieser Elemente stellte man fest, dass Qualitätsverbesserungen und nicht Preissenkungen die Marktanteile erhöhen. Gefragt ist also eine markt- und kundenrelevante Qualität. Diese erreicht man durch Dienstleistungsmanagement, was eine höhere Servicequalität (in den Augen des Kunden) und folglich eine entsprechend hohe Kundenzufriedenheit bringt. So erhält man letztlich auch mehr Kundenloyalität, höheren Unternehmensgewinn und eine bessere Marketing- und Unternehmenseffizienz. Gleichzeitig steigt die Mitarbeiterzufriedenheit, was die Fluktuation senkt. Daraus folgt eine höhere Kompetenz, die wiederum die Servicequalität positiv beeinflusst. Zumeist wird dieser Prozess blockiert, weil man sich selbst im Wege steht und damit selbst die Grenzen der Möglichkeiten verkörpert. Dienstleistungsmanagement, wie "das Dienen" als einzelne Tätigkeit, hat mit visionärer Vorstellungskraft zu tun. Dazu kommt, dass man in unserer Gesellschaft die Informatik als zentrale Veränderungskraft zu akzeptieren hat. Mittlerweile sind 64 % der wertvollsten US-Unternehmen Informatikfirmen.

Die direkte Interaktion
Es hängt also im wesentlichen von jedem selber ab, ob er bereit ist, gegenüber Kunden (internen und externen) aussergewöhnliche Leistungen - gar mit einem Wow-Effekt - zu vollbringen. Mit den richtigen Werkzeugen aktiviert man globales Wissensmanagement, das mit Wille und Disziplin, und im Einzelnen durch Fähigkeiten in messbare Resultate geführt wird. Das Wissen in Nutzen umzuwandeln, ist auch eine Forderung, die Exerperten an ein effektives Management stellen. Dienstleistungsmanagement mit Dienstleistungsmarketing und Kommunikation hat die Aufgabe, Menschen und Prozesse über alle Branchen einer Volkswirtschaft hinweg zum Wohle des Kunden einzusetzen. Und - die Dienstleistungen haben direkte Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit einer Unternehmung und damit auf den Geschäftserfolg. Ob man nun mit Windows und Office zufrieden ist, hängt im wesentlichen von den ganz persönlichen Bedürfnissen ab. Und diese sind in jedem Falle sehr heterogen. Und das ist genau der springende Punkt: Es geht um individuelle Bedürfnisse, die es zu befriedigen gilt. Im Übrigen kann man es ja einfach mit Tom Peters halten, der da meint: "Das Leben ist Kundenservice. Punkt!".