Vertrauen ist besser

«Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser», sagt das Sprichwort. Zu einer modernen Unternehmensphilosophie kann dieses Motto nicht mehr viel beitragen; in innovativen Betrieben wird Vertrauen gross geschrieben. Vertrauen ist in modernen Unternehmen absolut notwendig: Kollegen müssen darauf vertrauen, dass Vereinbarungen eingehalten werden und Kooperation nicht ausgenutzt wird. Die Unternehmensleitung muss darauf bauen, dass Mitarbeiter sich für die Unternehmensziele einsetzen und umgekehrt, dass gemachte Aussagen eingehalten werden. Im Leitbild eines grossen Automobilproduzenten etwa steht an erster Stelle: «Unsere Vertrauenskultur fördert die Eigenverantwortung und Selbstorganisation.» Das scheint leichter gesagt als getan, gibt es doch kaum noch gesellschaftliche Autoritäten, denen wir uneingeschränkt vertrauen. Wirtschaftliche Veränderungen in Richtung intensiver Markt- und Kundenorientierung, Globalisierung, Besinnung auf Kernleistungen und der daraus entstehende Wettbewerb bergen die Gefahr in sich, dass das Vertrauen immer weiter schwindet.

Vertrauen als zentraler Baustein
Doch gerade der Organisationswandel in Richtung flacher, flexibler und lernender Organisation würde Vertrauen als zentralen Baustein voraussetzen. Und im Wettbewerb könnten Wissen und Kreativität - das Innovationspotenzial der Mitarbeiter - der letzte, nicht kopierbare Vorteil sein! Eine Vertrauenskultur kann also über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Vertrauen lässt sich nicht einfordern! Ein Appell wie «Vertraue mir, es kommt schon gut...» spricht denn auch eher dafür, dass bereits Misstrauen vorherrscht. Vertrauen lässt sich nur langsam aufbauen, aber sehr schnell wieder verspielen! Oft reicht dazu eine einzige Enttäuschung, die als Schleier von Misstrauen auf eine ganze Organisation übergreifen kann. Nach aussen merkt man dies daran, dass in Abteilungen nicht mehr produktiv gearbeitet wird, sondern plötzlich Gerüchte und Vermutungen kursieren und persönliche Ziele vor die der Organisation gestellt werden.

Viele Berater in Organisationsentwicklungsprozessen haben das Dilemma schon erlebt: Während die neuen Formen der Arbeitsorganisation mehr Vertrauen der Kollegen untereinander fordern, ist eben dieses Vertrauen nach Reorganisationsprozessen in Gefahr. Wenn dort, wo Reporting und Controlling die Eigenverantwortung und Selbstorganisation unterstützen sollten, Kontrolle und Überwachung eingesetzt werden, wird aus dem angestrebten Fortschritt ein Rückschritt.

Vertrauenskapital aufbauen
Dieses Dilemma ist lösbar: Bei Prozessen organisatorischen Wandels sollte unbedingt in das Vertrauenskapital innerhalb der Belegschaft investiert werden. Folgende Massnahmen müssen den Prozess flankieren:

  • Kommunikation: Kommunizieren schafft Glaubwürdigkeit. Vertrauen bildet sich über wiederholte, dichte Interaktion. Dazu gehören auch offener Meinungsaustausch, gezielte Informationsprogramme und die Durchschaubarkeit der Handlungen. Dies muss jedoch immer auf authentischem und zuverlässigem Handeln basieren.
  • Controlling statt Kontrolle: Die Misstrauenskultur in Form ausgeklügelter Kontrollen überwinden und durch ein gezieltes Controlling im Sinn von Überprüfen der Zielerreichung ersetzen.
  • Persönliche Kontakte: «Management by walking around», das heisst, für die Mitarbeiter ansprechbar sein, um für Veränderungen begeistern und dem paranoiden Denken über alle möglichen «worst-case-scenarios» frühzeitig begegnen zu können.
  • Gemeinsame Ziele schaffen Orientierung: Also gemeinsame Ziele für den Einzelnen wie auch als Leitbild für die Organisation aushandeln, Zielvereinbarungen einfordern und die Zielerreichung regelmässig gemeinsam überprüfen. Dabei müssen die Mitarbeiter bei der Zielerreichung unterstützt werden. In Veränderungsprozessen ist nichts stabilisierender als das Wissen, wohin es gehen soll!
  • Betroffene zu Beteiligten machen: Generell gilt: «Mitdenken und mitgestalten». Das bedeutet, sich dem Prinzip der ständigen Verbesserung zu verpflichten und individuelle Fähigkeiten wie auch unkonventionelle Ideen einzubringen.
  • Realistische Visionen: Realistische Visionen sind hochgesteckte, anspornende Ziele, die mit Mut, Fantasie und Einsatz erreicht werden können.
  • Zugehörigkeit: Mitarbeiter zu Mitgliedern einer Organisation machen. Wer sich nicht nur als Zuträger zur Gewinnmaximierung, sondern als wesentlichen Teil des Ganzen erlebt, fühlt sich zugehörig. Dies wird unterstützt durch Delegation von Verantwortung, Partizipation und gruppenorientierte Arbeitsformen. Vertrauensschwund im Blick behalten: Wenn das Vertrauen in der Belegschaft trotz dieser Massnahmen bröckelt, lässt sich aus diesem Warnzeichen lernen, indem die Berater frühzeitig nach Ursachen suchen und Gegenmassnahmen einleiten.

Ein langfristiger Prozess
Das Vertrauen zu anderen Menschen ist eine tragende Säule unserer Identität. Wenn es am Arbeitsplatz einen angemessenen Stellenwert erhält, werden Mitarbeiter zufriedener sein - und mehr leisten. Vertrauen lässt sich nicht durch eine gezielte Intervention verordnen, sondern ist ein langfristiger, von persönlicher Haltung und organisationstechnischen Fragen zu unterstützender Prozess. Oder, wie es Khalil Gibran sagte: «Vertrauen ist eine Oase im Herzen, die die Karawane des Verstandes nie erreichen wird.»